WIR und das Virus 

Zeitzeug*innen der Coronakrise

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Flüchtlingsfamilien malen Corona-Bilder

Paul Sönnichson • 1. Februar 2021

Das IGS-Lastenrad bringt  Malutensilien zur Flüchtlingsunterkunft Blankenburg

Die entstandenen Bilder seht ihr hier.


Zu der Aktion schreibt Paul Sönnichson, FSJler bei OTB und IGS Flötenteich:

Die zwanziger Jahre des 21sten Jahrhunderts hatten einen wahrlich schwierigen Start: Anfang 2020 wurde ein Virus in der Provinz Wuhan, China, öffentlich dokumentiert. Das Corona-Virus verbreitete sich nach und nach in ganz China und anderen asiatischen Staaten, bis es dann im Frühjahr auch Deutschland erreichte.

Schnell wurden Maßnahmen ergriffen: Das Corona-Virus erhielt die Bezeichnung „Pandemie“, weshalb der Staat stärker und effizienter durchgreifen konnte, was er auch in Form des ersten Lockdowns tat. Und dann war es geschehen: Sowohl in den Medien, als auch in privaten Gesprächen gab es nur noch ein Thema: Corona.

Zwar ist diese Pandemie ein großer Schock und sehr gefährlich, doch leider vergessen wir alles andere um uns herum und denken nicht an andere Probleme, die aber unsere Aufmerksamkeit brauchen und für die Lösungen gesucht werden müssen. Vergessen bzw. verdrängt haben wir Probleme und Gefahren wie z.B. den Glyphosat-Skandal Ende 2019;

den Rassismus, welcher von der Polizei ausgeht; die Ablehnung einer Rassismus-Studie durch Bundesinnenminister Seehofer oder dass Andreas Scheuer, nach sämtlichem Versagen in Nah- und Fernverkehr und der Maut immer noch im Amt ist; und noch vieles mehr. Alles wird unter den Teppich gekehrt und Entscheidungen, die noch vor 2 Jahren für sehr viel Aufregung gesorgt hätten, werden ignoriert oder vergessen. Vor allem aber vergessen wir aufgrund der weltweiten Pandemie, was uns spaltet. Der Fremdenhass, der Krieg im Nahen Osten, welcher bereits seit einer Dekade andauert und viel Trauer, Leid und zerstörte Familien gebracht hat; kaum einer spricht mehr darüber. Über die vielen Menschen, die in Hoffnung auf ein besseres Leben, ein Leben ohne Krieg in fremde Länder flüchten, die Angst um ihr Leben haben. Die vielen Menschen, die bei der Flucht oder bereits davor gewaltsam ihr Leben lassen mussten. Und doch entwickelt sich ein Trend in Deutschland, dass Menschen, die unsere Hilfe brauchen, die nicht unsere Sprache sprechen oder keinen Doktortitel haben oder eine andere Hautfarbe haben, abgelehnt werden. Einige Menschen in Deutschland haben sich angewöhnt, bereits aufgrund der Hautfarbe oder der Sprache einen Menschen zu hassen, bevor sie ihn kennenlernen. Dem zum Trotz wirken einige Schulen dagegen, mit Projekten, die Kinder und Erwachsene integrieren können. Projekte, wo Sprachbarrieren überwunden werden und uns freudig zusammenleben lassen können.



Die IGS Flötenteich und die Zirkusschule haben in den letzten Jahren immer mal wieder Bewegungsprojekte mit Kindern und Jugendlichen der Flüchtlingsunterkunft in Blankenburg durchgeführt und Flüchtlingskinder zu Bewegungs- und Zirkusnachmittagen eingeladen. Schüler*innen der IGS treffen auf Flüchtlingskinder und spielen zusammen - ohne eine wirkliche Grenze zwischen sich, so wie es eben bei Kindern sein sollte. Dabei reicht die Palette an Bewegungsaktionen von Minifußballturnieren, Zirkusworkshops bis hin zum freien Bewegen und Toben an Gerätestationen, wie Minitrampolin und Schwingen an Ringen und Tauen. Bewegungs- und Spielenachmittage an Sonntagen, wo sich alle Kinder mit verschiedenen Spielematerialien und an Gerätestationen begnügen können, sind besonders beliebt. Nun treffen aber unglücklicherweise solche Begegnung auf ein Hindernis: das Corona-Virus. Aufgrund der bundesweiten Verordnung und der Tatsache, dass einige der Flüchtlinge auf Corona positiv getestet worden sind, kann es 2020 erstmals nicht zu einem direkten Kontakt zwischen den Kindern der IGS und den Flüchtlingen kommen. Die Lösung wurde aber recht schnell gefunden, und zwar in dem Projekt www.wir-virus.de.

Wir-virus ist ein Portal von „Bewegung im Stadtteil“ (BIS e.V), der Zirkusschule Seifenblase und der IGS Flötenteich und dient als Plattform für jung und alt, um sich auch in der Coronakrise - mit Abstand - nah sein und sich austauschen zu können: sei es durch kurze Filme, Gedichte oder Geschichte, oder Bilder.

Um auch den Flüchtlingsfamilien in Blankenburg die Teilnahme am Projekt möglich zu machen, entstand die Idee, eine Malaktion in der Flüchtlingsunterkunft für wir-virus.de. Eine Kiste mit vielen verschiedenen Buntstiften, Wachsmalkreiden, Filzstiften, Papier und mehreren von IGS Schülerinnen gestaltete Maskenporträts wurde zusammengestellt und mit dem IGS Lastenfahrrad zur Flüchtlingsunterkunft gebracht. Leider konnten wir aufgrund der coronabedingten Kontakteinschränkungen die Materialien nicht dirket den Flüchtlingsfamilien übergeben und vereinbarten mit Erzieher*innen der Flüchtlingsunterkunft einen Termin draußen vor dem Eingang. Anne Meyer, Initiatorin des wir-virus Projektes, die IGS Schülerin Malak aus der 7b mit syrischen Migrationshintergrund, Paul-Ruben Sönnichsen, vertretend für den OTB und Uwe Schwettmann vom Sportverein BIS e.V. wurden sehr freundlich in Blankenburg begrüßt. Da es auch in Blankenburg mehrere Coronafälle gegeben hat, waren viele der Flüchtlingsfamilien in Quarantäne und konnten die Unterkünfte nicht verlassen. Malak erklärte, dass die Flüchtlinge – Jung und Alt – frei entscheiden können, was sie malen möchten. Wer Interesse hat, kann auch Selbstportraits mit Maske gestalten, die dann in die Bildgalerie von wir-virus eingestellt werden können. Die Titel der Werke können in der Muttersprache der Künstler*innen aufgeschrieben werden. Die beiden Sozialarbeiter sind sich sicher, dass viele an der Aktion mit Freude teilnehmen werden. Die Malaktion wird eine gute Abwechslung sein und ein bisschen Farbe in den langweiligen Corona Alltag bringen. Ein Abholtermin der Bilder wird für Anfang Februar vereinbart. Die Bilder der Flüchtlinge werden als A3 Plakate oder Postkarten gedruckt, vervielfältigt und können dann in der Schule und in der Flüchtlingsunterkunft ausgehängt

Mit der Malaktion möchte man ein Zeichen setzen: Gemeinsam etwas auf die Beine stellen, ist möglich. Bei dem wir-virus Projekt ist die Sprache nicht wichtig aber Offenheit, Wertschätzung, gegenseitiges Vertrauen und Mitgefühl. Hilfsbedürftige mit offenen Armen zu empfangen bedarf keiner Worte.


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